Lieblingsbuch Literatur

Meine Schwester (Bettina Flinter)

Bettina Flitner wird 1961 in Köln geboren, ihre Schwester Susanne ist knapp drei Jahre älter als sie. Die beiden Mädchen wachsen in der Nähe von Hannover auf, ihr Großvater ist der Reformpädagoge Wilhelm Flitner, Bettina und Susanne besuchen beide die Waldorf-, später eine Montessorischule. Die außerehelichen Beziehungen der Eltern gehören zum Familienleben irgendwie dazu, genau wie die Wochenenden bei den Großeltern und die immer häufiger auftretenden depressiven Phasen der Mutter Gisela. Als Kinder verbringen die Schwestern ein Jahr in New York, ziehen anschließend nach Köln. Im Alter von 47 Jahren nimmt sich Gisela Flitner das Leben. Bettina erlebt, wie sie und ihre Schwester sich stetig in unterschiedliche Richtungen entwickeln, wie in Susanne die gleiche Traurigkeit und Angst heranwächst, wie die der Mutter. Als Erwachsene leben die Schwestern ihr jeweils eigenes Leben, halten Kontakt. 2017 beendet Susanne schließlich ihr Leben. In Meine Schwester verarbeitet Bettina Flitner den Verlust und erzählt die Geschichte ihrer Kindheit, ihrer Familie, ihrer Schwester.

Bettina Flitner ist Fotografin und erhielt für ihre Arbeit bereits zahlreiche Auszeichnungen. Meine Schwester ist ihr erstes literarisches Werk und stützt sich auf ihre eigenen Erlebnisse. Mich hat dieses Buch tief bewegt und sehr positiv überrascht. Detailreich und feinfühlig beschreibt Flitner ihr Aufwachsen in den 60er und 70er Jahren und die Beziehung zu ihrer Schwester, den Eltern und Großeltern inmitten des linksliberalen Bildungsbürgertums der alten BRD. Auch, wenn die Grundthemen des Buches, der Suizid von Mutter und Schwester, das Auflösen der Familie und der Umgang mit Depressionen, keine fröhlichen sind, zieht einen das Buch nicht runter, ist sogar stellenweise humorvoll und durchweg interessant. Flitners Sprache empfand ich als sehr angenehm zu lesen. Sie hält eine wunderbare Balance zwischen klarer Scharfsinnigkeit und emotional aufgeladener Liebe zum Detail. Meine Schwester versucht nicht die Frage nach einem vermeintlichen Warum zu beantworten. Auch, wenn das Bild der Schwestern vage bleibt, war es für mich möglich, eine Verbindung zu beiden aufzubauen, mich hineinzufühlen. Dieses Buch hat mich, gerade wegen der wahren Geschichte, sehr berührt. Große Empfehlung.