Literatur

Ein Spiegel für mein Gegenüber (Nadire Biskin)

Huzur macht gerade ihr Referendariat an einer Berliner Schule als im Lehrerzimmer eine Diskussion über das Tragen von Kopftüchern eskaliert. Die angehende Lehrerin wird daraufhin für mehrere Wochen zwangsbeurlaubt, nimmt sich eine Auszeit bei ihrer Cousine Adile in der Türkei. Hier hat sie Zeit um über alles nachzudenken, ihr Aufwachsen in Deutschland, das immerwährende Gefühl der Ausgrenzung zu reflektieren. Als sie nach Berlin zurückkehrt, wird sie am Abend ihrer Ankunft auf ein verwahrlost aussehendes Mädchen aufmerksam, die scheinbar geflüchtet und ohne Eltern ist. Huzur denkt nicht lange nach und nimmt Hiba, wie die etwa Zehnjährige sich vorstellt, mit in ihre Wohnung. Sie gibt dem Mädchen neue Kleidung, kämmt ihr die Haare, versucht alles zu tun, um Hiba ein Gefühl der Geborgenheit zu schenken. Doch kann und will sie diese neue Verantwortung wirklich dauerhaft übernehmen? Jetzt, wo ihre eigene berufliche Zukunft ungewiss scheint?

Ein Spiegel für mein Gegenüber ist Nadire Biskins Debutroman und konnte mich insbesondere durch die feinfühlige und so treffend beobachtende Erzählweise überraschen. Das Buch gliedert sich in zwei Teile, von denen der erste in der Türkei, der zweite in Deutschland spielt. Während Protagonistin Huzur im ersten Abschnitt vielmehr ihren Gedanken nachhängt, ihr Leben in verschiedenen Rückblenden reflektiert, ist sie im zweiten Teil aktiver, schildert ihre Erlebnisse mit Hiba, die Probleme, denen sie sich stellen muss. Die beiden Teile wirkten auf mich leider etwas isoliert, hätten für meinen Geschmack etwas mehr miteinander verknüpft werden können. Auch blieben für mich Einzelheiten bezüglich Hibas Herkunft unklar, was die Handlung des zweiten Teils stellenweise nicht ganz glaubwürdig machte. Ansonsten habe ich Biskins Roman sehr gerne gelesen, Ich fühlte mich Huzur nah, konnte ihre Gefühle, ihren kritischen Blick, nachvollziehen und ließ mich hierdurch berühren und zum Nachdenken anregen. Ein gelungener, mit 170 Seiten kurzweiliger Roman, über das Leben zwischen zwei Welten, Wut und das Ringen um Akzeptanz.