Die Jahre (Annie Ernaux)
Annie Ernaux wird im Jahr 1940 in der französischen Kleinstadt Lillebonne geboren. Das Erzählen der Nachkriegszeit bestimmt ihre Kindheit, die Familie, Angehörige der Arbeiterklasse, lebt in eher kleinen Verhältnissen. Später geht sie ans Lyceum, studiert in Bordeaux und Rouen, bevor sie beginnt als Lehrerin am Gymnasium zu lehren. Als junge Frau erlebt sie die Algerienkrise mit, ist Teil der Bewegungen im Jahr 1968 und veröffentlicht 1974 ihren ersten autobiographischen Roman. In Die Jahre erzählt Ernaux ihre eigene Geschichte nach, zeichnet dabei jedoch auch ein Bild der gesellschaftlichen Entwicklungen in Frankreich und der Welt, der Emanzipation, der Globalisierung. Filme, die die Menschen bewegen, Musik, die überall gesungen wird und Bilder, die Ernauxs Leben, ihr Aufwachsen im Zwiespalt der politischen Umwälzung, einfangen. Ein Portrait der Gesellschaft und einer eigenwilligen Frau gleichermaßen.
Was mir beim Lesen von Annie Ernauxs gefeiertem Werk Die Jahre sofort auffiel, war der poetisch anmutende Schreibstil, mit dem sie sehr gelungen Stimmungen, Gefühle und Erinnerungen einfängt. Ernauxs Erzählen ist größtenteils autobiographisch, auch, wenn Ernaux nicht immer aus der Ich-Perspektive, sondern auch in dritter Person über sich selbst schreibt. Sie geht dabei chronologisch vor, beginnt in ihrer Nachkriegskindheit und hangelt sich über verschiedene gesellschaftliche Ereignisse, genau wie über kleine Detailaufnahmen des Alltags bis in die 2000er Jahre. Diese Erzählweise habe ich als sehr besonders und äußerst atmosphärisch empfunden, nicht nur bekommt man ein Gefühl für die Autorin, man taucht auch in die Zeit, in diesen Strudel aus Veränderungen ein. Das fand ich, als Person, die noch nicht so lange auf dieser Erde wandelt, sehr interessant. Insbesondere im letzten Teil wurde das Lesen der vielen, vielen Details bezüglich französischer Politik und gesellschaftlicher Bewegungen für mich aber doch etwas anstrengend, es war einfach sehr viel Input. Dennoch ein beeindruckendes Buch mit einem außergewöhnlichen Stil.
