Literatur

Tick Tack (Julia von Lucadou)

Almette, Mette genannt, ist auf allen Social Media Plattformen unterwegs und hat gerade die 10K auf TikTok geknackt. Als sie sich eines Tages ins Gleisbett der Straßenbahn legt und auf den Tod wartet, ist auch dies bereits online von ihr angekündigt worden. In letzter Sekunde wird die Fünfzehnjährige von einem Beobachter vom Gleis gerissen, das Video der Aktion geht im Netz viral. Mette, die in einem privilegierten Umfeld aufwuchs, als hochbegabt gilt, muss fortan zum Psychologen, versteht die Panik ihrer Eltern aber so gar nicht. Über ihre Klassenkameradin Mia lernt sie Jo kennen, Mias Bruder, zehn Jahre älter als Mette. Er verbringt seine Tage am PC, kämpft als Anti-Influencer gegen den Mainstream. Weil er in Mettes Aktion Potential sieht, rekrutiert er sie für sein Vorhaben. Die Coronapandemie kommt ihm und Mette zum Querschießen gerade recht. So wird Mia zur Gallionsfigur von Jos Anti-Bewegung und verliert sich dabei bald selbst.

Tick Tack machte mich gerade wegen der aktuellen Themen und der Krassheit des Buches neugierig. Krass und aktuell ist der Roman allemal, in der Umsetzung für meinen Geschmack aber fast schon ein bisschen drüber. Mettes Sprache läuft vor Anglizismen, Schimpfwörtern und Provokationen nahezu über, während Jos Perspektive fragmentarisch, von Links und Insidern durchdrungen sind. Ich verstehe, was die Autorin damit wollte, stellenweise mutet das Ganze auch echt künstlerisch an und einige sehr treffende, sehr intensive Sätze sind durchaus dabei. Insgesamt wird Tick Tack dadurch aber zu einem echt unbequemen Buch und ist definitiv nichts für Nebenbei. Die Wandlung, die Mette im Laufe der Handlung durchläuft, habe ich mit Spannung verfolgt und denke, dass Julia von Lucadou dieses sehr brisante, gesellschaftliche Thema eindrücklich verarbeitet hat. Mir fiel es aber einfach schwer, mich richtig reinzudenken, weil Mette für mich von Anfang an null Identifikationspotential hatte, mich mit ihrem oft üblem Verhalten, regelbrecht abstieß. Also: Irgendwie genial, aber auch anstrengend und drüber. Oder vielleicht doch nicht? Ich bin ganz, ganz unschlüssig.