Literatur

Die andere Hälfte der Welt (Christina Sweeney-Baird)

Glasgow, 2025: Als die Ärztin Amanda einen Patienten mit leichtem Fieber behandelt und dieser nur wenige Stunden später stirbt, steht sie vor einem Rätsel. Noch besorgniserregender wird die Situation, als weitere Fälle im Umfeld hinzukommen, ausschließlich männlich. Zunächst wird Amanda von der Weltgesundheitsorganisation nicht ernst genommen, bald wird aber auch diesen klar, dass ein Virus im Umlauf ist, dass droht die männliche Spezies auszulöschen. Nur wenige Männer sind immun, die Morbiditätsrate eklatant hoch. Während an allen Enden der Welt an einem Impfstoff oder Heilmittel geforscht wird, müssen die Frauen sich mit einer Realität arrangieren, in der sie auf einmal in deutlicher Überzahl sind. Nicht nur die persönlichen Verluste jedes Einzelne werden dabei zu einer Herausforderung, sondern die Gesamtorganisation von Versorgung, Wirtschaft- und Berufswelt fordert schnelle Entscheidungen. Wie lebt man weiter, wenn nichts ist wie zuvor?

Klar erinnert der Inhalt von Die andere Hälfte der Welt ein bisschen an die aktuelle Pandemie, am Ende ist es aber trotzdem eine ganz andere Geschichte. Interessant fand ich, dass hier sehr viele Protagonistinnen zu Wort kommen. Für mich hätten es auch weniger Figuren getan, weil es mir bei so großen Ensembles immer schwer fällt, Verbindungen aufzubauen. Auf der anderen Seite war es sehr spannend, wie die Situation sich aus unterschiedlichen Perspektiven gestaltet und zuletzt schaffte diese Dynamik auch eine Menge Spannung. Ob alles so realistisch dargestellt wurde weiß ich nicht, manche Stellen fand ich doch etwas fragwürdig und überzeichnet, andererseits… wenn mir jemand erzählt hätte, dass sich bald Leute um Klopapier kloppen werden, hätte ich das auch nicht geglaubt. Auch gefiel mir, dass sich die Handlung über mehrere Jahre erstreckt und somit ein bisschen kontextueller wird. Ein guter, spannender Roman, der interessante, feministische Diskurse aufwirft, jedoch auch kleinere Schwäche besitzt.