Literatur

Spinner (Benedict Wells)

Nach seinem Abitur ist Jesper Liers wegen seines Zivildienstes in einem Behindertenheim von München nach Berlin gezogen. Nach Abschluss des Dienstes hat er sich für die Universität eingeschrieben. Alibimäßig, denn studieren tut er eigentlich gar nicht. Ziellos lässt er sich durch Berlin treiben, verlebt seine Tage in einer dunklen Kellerwohnung, wo er an seinem Roman „Der Leidensgenosse“ schreibt und verliert sich in der Anonymität der großen Stadt. Nicht Mal seine Mutter weiß, wo er wohnt, ihr erzählt er von den Prüfungen im Politikstudium, von seiner Freundin Sandra und dem aufregenden Leben, das er führt, alles erlogen und erfunden. „Der Leidensgenosse“ ist schon über tausend Seiten lang, und doch kommt Jesper nicht so richtig weiter. Als Gustav, sein einziger Freund in Berlin nach 2 Monaten aus dem Ausland zurückkehrt und wenig später auch Jespers Schulfreund Frank zu ihnen stößt, beginnt für Jesper eine Woche, die für ihn alles verändern und das Innere zum Äußeren kehren wird…

Spinner kam für mich zwar nicht an „Vom Ende der Einsamkeit“ von Benedict Wells heran, konnte mich aber trotzdem von sich überzeugen. Ich bin Benedict Wells‘ so unmittelbarem, ehrlichem und gefühlvollen Schreibstil schlichtweg verfallen. Voller Aufrichtigkeit beschreibt er in Spinner die schwierige Zeit des Erwachsenwerdens und entwirft mit Jesper Lier einen Protagonisten, in dessen Gefühlswelt ich mühelos eintauchen konnte. Die Leere und die Überforderung, die Jesper beim Verarbeiten seiner eigenen Gefühle empfindet, waren nachvollziehbar dargestellt und machen Spinner zu einem nachdenklichen, auch traurigen Buch. Trotzdem gibt es skurrile, ja lustige Augenblicke, die mich schmunzeln ließen und die Geschichte etwas auflockerten, meist provoziert durch das Zusammentreffen von Jepser, Frank und Gustav, die eine interessante, unterhaltsame Dynamik verbindet. Darüber hinaus hat Wells es geschafft, in die doch eher bedrückende Atmosphäre seines Romans, eine gute Prise Hoffnung einzustreuen, die einen als Leser mit einem guten Gefühl zurücklässt. Ein berührender Roman, den ich gerne empfehle.