Literatur

Die Optimistinnen (Gün Tank)

Nour stammt aus der Türkei, doch macht sich im Alter von 22 Jahren nach Deutschland auf, von wo aus sie die Familie in der Heimat finanziell unterstützen kann. Es ist das Jahr 1972, während Nour Minis trägt sind es die oberpfälzischen Frauen im Dorf, die man nicht ohne Kopftuch sieht. Als Gastarbeiterin ist die Nour eine von Tausenden, ihr neues Zuhause, ein Wohnheim teilt sie sich mit Jugoslawinnen, Spanierinnen und Frauen aus aller Welt. Sie alle schuften in den umliegenden Fabriken, wo unfaire Entlohnungen und Demütigungen zum Alltag gehören. Dass sie sich wirklich integrieren, die deutsche Sprache lernen, scheint niemandem ein Anliegen zu sein und so fristen die Frauen ein Schattendasein am Rande der Gesellschaft. Doch das will Nour sich auf Dauer nicht gefallen lassen. Inspiriert von früheren Frauenstreiks in Thüringen, tut sie sich mit den anderen Frauen zusammen und für die Rechte der Arbeiterinnen zu kämpfen.

In ihrem gut 200 Seiten fassenden Roman lässt Gün Tank ein Kapitel der deutschen Geschichte aufleben, dass bisher nur wenig beachtet wird. Sie gibt den vielen Frauen, die als Gastarbeiterinnen nach Deutschland kamen und hier mit ihrem Glauben an Gerechtigkeit für ein besseres Leben kämpften, eine Stimme und bricht mit dem bis heute existierenden Vorurteil der passiven, „nur mitgekommenen“ Migrantin. Der Roman hat zwei Handlungsebenen, zum einen begleitet man Nour in den Jahren 1972 und 1973 und taucht mir ihr in die Welt der Gastarbeiterinnen ein. Die Sprache empfand ich hier als eher simpel, dadurch aber auch als sehr unmittelbar. Auf einer zweiten Ebene schildert wiederum eine Ich-Erzählerin, Nours Tochter, ihre Geschichte und die Geschichte der Mutter in Rückblicken aus der Gegenwart heraus, diese Teile sind etwas detailreicher erzählt und erlauben Einblicke in das familiäre Umfeld und die Zeit nach 1973. Ich finde, dass sich beide Ebenen sehr gelungen ergänzten und man ein vielschichtiges Bild von Nour und ihrer Familie bekam. Besonders Nours Vater schloss ich ins Herz. Ein gelungener, kurzweiliger Roman mit interessantem Thema, den ich empfehlen kann.