Abgrund (Pilar Quintana)
Claudia wächst in der dschungelartigen Wohnung ihrer Eltern auf. Als ihre Mutter, die ebenfalls den Namen Claudia trägt, sich in den neuen Mann ihrer Schwägerin verliebt und mit diesem eine Affäre beginnt, verwandelt sich Claudias Welt langsam in einen immer tieferen Abgrund. Nachdem das Techtelmechtel auffliegt, trennen sich die Eltern nicht, doch der Vater versinkt in Schweigen und die Mutter in einer Depression, die sie wochenlang ans Bett fesselt und auf Distanz zu ihrer Tochter hält. Die zehnjährige Claudia versteht die Welt nicht mehr, ist auf einmal umgeben von Düsterheit und einer Mutter, die nur noch verschwinden will. Dann aber erwacht die Familie zu neuem Leben, Bekannte überlassen ihnen während der Sommertage ihr Haus in den Bergen und Claudia und ihre Eltern quartieren sich wohlgesonnen in der Finca ein. Doch das Haus hat seine eigenen Abgründe und erzählt die Geschichte einer Frau, die vor vielen Jahren spurlos von dort verschwand…
Den 250 Seiten fassenden Roman Abgrund der kolumbianischen Schriftstellerin Pilar Quintana habe ich innerhalb eines Tages verschlungen. Das lag auch daran, das die Geschichte einen etwas morbiden, düsteren Sog auf mich auswirkte, der mich fortwährend zum Weiterlesen animierte. Die Handlung wird chronologisch aus der Perspektive von Claudia erzählt und erstreckt sich über mehrere Monate im Leben der Zehnjährigen. Ich empfand die Sichtweise des Mädchens größtenteils als authentisch und ließ mich von ihr schnell emotional an die Hand nehmen. Mitzubekommen wie dieses Kind mit Suizid, Tod und Verlust konfrontiert wird und wie das nicht nur Angst sondern auch Verwirrung in ihr auslöst ist stellenweise schon heftig. Quintana erzählt das Ganze so atmosphärisch und packend, das ich richtig mitging und mich teils sogar ein bisschen gruselte (nein, was Unnatürliches gibt es hier nicht). Für mich ein starker, düsterer Roman, der irgendwie anders und dadurch echt besonders war. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung.