Kazimira (Svenja Leiber)
1871, Ostpreußen: Kazimira lebt mit ihrem Mann Antas, einem begabten Bernsteindreher in der Nähe der baltischen See. Mit dem fossilen Harz, der am Strand angeschwemmt und von Antas verarbeitet wird, verdient das Paar seinen Lebensunterhalt. Als der jüdische Moritz Hirschberg am Weststrand ein Bernsteinwerk ins Leben ruft, macht er Antas zu einem seiner wichtigsten Arbeiter. Kazimira ist gezwungen ihrem Mann zu folgen, doch obwohl sie arbeiten will, wie er, muss sie bei Haus und Kind bleiben. Dabei wird sie über die Jahre nicht nur für die eigene Familie, sondern für das gesamte Bergwerk zu einer Beschützerin. Doch die Zeiten sind turbulent und der von den Nationalisten propagierte Antisemitismus greift stetig um sich, was auch die Familie Hirschberg vor eine schwere Wahl stellt. Während die Welt um sie herum sich rasend schnell verändert, Kriege über das Land kommen und gehen, bleibt Kazimira am Weststrand, bleibt, bis sie Ende des zweiten Weltkriegs zur letzten Zeugin eines grausamen Verbrechens wird.
Kazimira wanderte auf Empfehlung auf meine Leseliste, ohne, dass ich genau wusste, worum es im Buch geht. Dadurch, dass ich mich auf Handlungszeit und Thema erst einmal etwas einlassen musste, war der Lesestart etwas holprig, nach ca. 50 Seiten kam ich dann aber immer mehr im Buch an und begann diese, sich über ein Jahrhundert erstreckende Familiengeschichte, richtig ins Herz zu schließen. Es gibt zwei Handlungsebenen: Von den 1870ern bis hin zur Nazizeit begleitet man Kazimira, ihr Umfeld, ihre Nachkommen, im Jahr 2012 hingegen steht die Russin Nadja im Vordergrund. Den historischen Kontext fand ich sehr spannend, auf mich wirkte alles gut recherchiert und durch die atmosphärische Erzählweise nahm ich viel Neues über die damalige Zeit mit. Die politischen aber auch die persönlichen Entwicklungen der Figuren fesselten mich im Laufe der Zeit immer mehr und einzelne Protagonist*innen wuchsen mir richtig ans Herz. Obwohl die Jahrzehnte recht schnell vorbei ziehen, wurden für mich der Schmerz, die Sehnsüchte und Stimmungen der jeweiligen Epochen greifbar. Interessant, einfühlsam und tiefgehend.