Literatur

Mädchen, Frau etc. (Bernardine Evaristo)

Die Dramaturgin Amma hat es geschafft: Ihr Stück, in dem sie sich mit ihrer Identität als schwarze, lesbische Frau auseinander setzt, feiert Premiere am National Theater in London. Doch der Weg zur Anerkennung hin war hart und viele der Frauen, die sich an jenem Abend im Publikum einfinden, können ähnliche Geschichten ihr Eigen nennen. Da ist Ammas alte Freundin Dominique, die in den USA eine Zeit lang in einer rein lesbischen Gemeinschaft verbracht hat und dabei in einer toxischen Beziehung fast sich selbst verlor. Oder Carole, deren hart arbeitende Mutter Bummi aus Nigeria stammt, und die sich mit der Hilfe der Lehrerin Shirley aus den ärmlichen Verhältnissen heraus, direkt ans Oxford College gekämpft hat. Morgan, dier nach Jahren der Unsicherheit einen ganz eigenen Weg gefunden hat: Eine genderfreie Identität, über die sier andere Menschen überall auf der Welt aufklärt. Viele verschiedene Frauen, viele verschiedene Geschichten: Doch in ihrem Kampf um Gleichberechtigung und der Suche nach Zugehörigkeit, sind sie alle miteinander verwoben.

Ammas Theaterpremiere bildet den Rahmen dieses außergewöhnlichen Buches. Nacheinander werden insgesamt 12 Frauen in den Vordergrund gerückt, deren Leben Mal auf engere, Mal auf weitläufigere Weise zusammenhängen. Durch die verschiedenen Figuren, die allesamt vielseitig und tief auf mich wirkten, bringt Bernardine Evaristo viele hochaktuelle Themen und Perspektiven ins Spiel: Es geht um Rassismus, Sexismus, verschiedene Formen des Feminismus, um Familie, Beziehungen, die Suche nach der eigenen Identität und Herkunft. Die Lebensrealitäten der Figuren wurden greifbar und obwohl man nur kurz bei den einzelnen Charakteren verweilt, gewinnt man hier wertvolle und spannende Einblicke. An den Schreibstil und die außergewöhnliche Form musste ich mich erst etwas gewöhnen, fand ihn dann aber schlichtweg ausdrucksstark und intelligent. Auch wenn ich die Funktion der gewählten Mehrperspektivität verstehe, war es mir manchmal ein bisschen zu viel, der ständige Kulissenwechsel führte bei mir dazu, dass ich nicht so eine starke Verbindung zu den Figuren aufbauen konnte und zeitweise etwas überfordert war. Das ist denke ich Geschmacksache: Ich bin eher der Typ, der lieber nur 2 oder 3 Figuren verfolgt und bei diesen dann intensiver mitgeht, andere schätzen eine „breitere“ Perspektive mehr. Dennoch ein starkes und vor allem facettenreiches Buch.