Nebenan (Kristine Bilkau)
Julia ist mit ihrem Freund Chris erst kürzlich in den kleinen Ort am Nord-Ostseekanal gezogen. In der Innenstadt hat Julia sich den Traum eines Keramikladens erfüllt. Ihr großer Wunsch nach einem Kind, bleibt bisher jedoch unerfüllt. Nicht weit entfernt lebt Astrid mit ihrem Mann Andreas. Sie ist Ärztin, steht kurz vor der Pension und kümmert sich um ihre Tante Elsa, Julias Nachbarin. Seit einiger Zeit ist auch Marli, Astrids alte Freundin zurück in der Stadt, doch Astrid weiß nicht, wie und ob sie sich Marli wieder annähern soll. Dann verschwindet eines Tages eine Familie aus heiterem Himmel. Das Haus, in dem Mutter und Vater mit drei Kindern lebten ist verlassen, kein Wort des Abschieds wurde gesagt und blickt man durch die Fenster, sieht alles aus wie nur kurz stehen gelassen. Mit der Zeit wird das leere Haus zum gedanklichen Orientierungspunkt der Nachbarn und auch der Junge, der eines morgens einen kryptischen Zettel beim Haus hinterlässt, wirft Fragen auf.
Weil ich von Kristine Bilkau zuvor nichts gelesen hatte, ging ich ohne besondere Erwartungen an ihr Buch Nebenan heran und wurde anschließend sehr positiv überrascht. Die Autorin zeichnet ein komplexes, feinfühliges Bild des Netzes, das die Nachbarn miteinander verbindet und macht die verschwundene Familie zum Dreh- und Angelpunkt der Handlung. Dabei liegt der Fokus in den recht kurz gehaltenen Kapiteln jeweils auf Astrid oder Julia. Die beiden Frauen kamen mir gedanklich sehr nah, ihre Sehnsüchte, Befürchtungen und Lebensentwürfe wurden greifbar und es ist spannend zu beobachten, wie um das leere Haus herum gewissermaßen immer mehr Verbindungen entstehen. Die alltäglichen Probleme und Geheimnisse, das Verschieben von Beziehungen, die Bilkau anschaulich und ohne Längen beschreibt, werden durch den Aspekt der fehlenden Nachbarsfamilie perfekt ergänzt, ein Punkt, der auch die nötige Spannung in die Geschichte bringt. Themen wie Freundschaft, ungewollte Kinderlosigkeit, menschliche und räumliche Nähe spielen eine Rolle, wobei immer auch viel Raum für Eigeninterpretationen bleibt. Große Empfehlung.
Vielen Dank an das Bloggerportal und den Luchterhand Verlag für das Belegexemplar.