Literatur

Nachtbeeren (Elina Penner)

Nellis Familie stammt aus Russland. Als kleines Mädchen kommt sie Anfang der 90er Jahre als Russlanddeutsche nach Minden. Ihre Familie gehört den Mennoniten an, einer evangelischen Freikirche, die ihre Ursprünge in der Täuferbewegung hat. Für Nelli rüttelt der Umzug nach Deutschland an allen Ecken ihrer jungen Identität. Während ihre vier älteren Brüder ihr Aufwachsen noch ganz bewusst in Russland erlebten, findet sich Nelli stattdessen zwischen den Welten wieder. Als junge Frau wird sie schwanger und heiratet daraufhin Kornelius, den Vater ihres gemeinsamen Sohnes Jakob. Während sie versucht die Fassade eines stabilen Lebens aufrecht zu erhalten, löst sich etwas in ihrem Inneren immer weiter auf, ein Prozess, der mit dem Tod von Nellis geliebter Großmutter seinen Höhepunkt findet. Als Kornelius Nelli gesteht, dass er sie für eine andere verlassen wird, ist er bald darauf verschwunden und taucht erst Tage später an einem äußerst ungewöhnlichen Ort wieder auf…

Ich wurde durch die Leserunde von @emelie.ellen zum Lesen von Nachtbeeren angeregt und habe dann freundlicherweise dieses Rezensionsexemplar von @aufbau_verlage erhalten. Nachtbeeren mutet inhaltlich ebenso düster und mysteriös an wie das wunderschöne Cover. Die Geschichte wird aus den Perspektiven von Nelli, ihrem Sohn Jakob und ihrem Lieblingsbruder Eugen erzählt. Besonders in Nellis Perspektive musste ich mich erst einmal einlesen, der Schreibstil ist außergewöhnlich, leicht diffus, aber dadurch auch fesselnd. Sie als Figur wurde für mich nur schwer greifbar, was zur Geschichte jedoch überraschend gut passte. Nellis Schilderungen sind von zahlreichen Erinnerungen durchzogen, die einem ihr Ankommen und Aufwachsen in Deutschland und das Familiengefüge, das sie umgibt, fast schon umklammert, nahebringen. Diese sehr atmosphärischen Rückblicke stehen in einem starken Kontrast zu den krassen Ereignisse der Gegenwart, die den Roman fast surreal wirken lassen. Zugegeben, man muss sich auf diese Geschichte ein wenig einlassen, dann aber ist Nachtbeeren ein ungewöhnlich gutes Buch.