Lügen über meine Mutter (Daniela Dröscher)
Ela wächst Anfang der 80er mit ihren Eltern und den Großeltern väterlicherseits in einem Haus im Hunsrück auf. Während der Vater sich täglich über die ungleichen Verhältnisse in seiner Firma ärgert, verdient Elas Mutter ihr eigenes Geld in einer Lederwarenfabrik. Die Stimmung im Haus ist stets angespannt, nicht nur stellen die Großeltern ihren Argwohn gegenüber der Schwiegertochter öffentlich zu Schau, auch ist es Elas Vater der permanent kein gutes Haar an seiner Gattin lässt. Vor allem eins belastet ihn: Das Gewicht seiner Frau. Immer wieder setzt er sie auf Diät, nimmt er sie nicht zur Weihnachtsfeier mit, unterstellt er ihr Faulheit und Böswilligkeit. Ela wird größer und täglich Zeugin neuer Eskapaden. Zu ihr ist der Vater meist liebevoll, auch deshalb gehen seine Schimpfereien nicht spurlos an der Grundschülerin vorbei. Als Elas Oma an Demenz erkrankt, sich eine kleine Schwester ankündigt und die Familie notgedrungen das Nachbarskind Jessy bei sich aufnimmt, wird die Luft zum Atmen für Elas Mutter immer dünner…
Lügen über meine Mutter von Daniela Dröscher war für mich ein richtiges Highlight und wird ziemlich sicher zu meinen Jahresfavoriten gehören. Dieses Buch hat mich wahnsinnig mitgenommen, stellenweise rasend wütend gemacht und packte mich von Anfang bis Ende. Die Handlung erstreckt sich innerhalb der Haupthandlung über ca. 3 Jahre, es gibt allerdings eine weitere Zeitebene, die das Geschehene rückwirkend kommentiert und analysiert, beide Zeitstränge werden aus Elas Sicht erzählt. Die „Stimme aus der Gegenwart“ fand ich sehr spannend, weil sie noch mehr Tiefe in die Handlung einbringt, die entsprechenden Abschnitte sind aber wunderbar knackig gehalten, sodass der Fokus deutlich auf den 80er Jahren liegt. Was mir besonders gefiel war, dass die Geschichte trotz ihrer Krassheit, sehr glaubwürdig auf mich wirkte. Dröscher schafft es überzeugend dieses erschreckende Bild einer toxischen Ehe (und Familie) in all ihren Details und Widersprüchlichkeiten darzulegen, und oft ist es gerade das Alltägliche, das daran so schmerzt. Auch Ela ist eine nahbare Protagonistin, der ich ihre Gefühle und das Zwischen den Eltern stehen abkaufte. Ein großartiges Buch mit starken Figuren, der perfekten Prise Humor, vielen traurigen Wahrheiten und Emotionen, die einen noch über das Lesen hinaus begleiten.