Kein Teil der Welt (Stefanie de Velasco)
Bis vor kurzem lebte Esther mit ihren Eltern im Rheinland, wo sie Teil einer größeren Gemeinde von Jehovas Zeugen waren. Dann aber wurde sie aus ihrem bisherigen Leben herausgerissen. Die Eltern, die als Sonderpioniere der Wachtturmgesellschaft tätig sind, wollen jetzt, wo die Grenzen offen sind, im ostdeutschen Heimatort des Vaters eine eigene Gemeinde aufbauen und einen neuen Königreichssaal errichten. Für Esther ist das Leben als Zeugin Jehovas alles, was sie kennt. Sie und ihre Familie bewegen sich in der sogenannten Wahrheit, die neben der Welt der Ungläubigen existiert. Sie alle warten auf Harmagedon, die letzte Schlacht zwischen Jehova und Satan, nach der sie ins Friedensreich einziehen werden. In der neuen Umgebung vermisst Esther vor allem ihre beste Freundin Sulamith, mit der sie zuvor alles teilte. Doch Sulamith stellte plötzlich alles in Frage: Ihren Glauben, ihr Wertesystem und auch ihre Freundschaft mit Esther.
Ich kann euch Stefanie de Velascos Roman Kein Teil der Welt wirklich sehr ans Herz legen. Esthers Geschichte las sich nicht nur sehr bewegend, sondern auch interessant und spannend. Ich wusste bisher nur wenig über den Glauben und die Praxis der Zeugen Jehovas und fand es faszinierend durch Esthers Augen mehr über ihren Lebensalltag und ihre Überzeugungen zu erfahren. Die Authentizität der Schilderungen zeugt deutlich von der Tatsache, dass de Velasco bis zu ihrem 15. Lebensjahr selbst zu den Zeugen Jehovas gehörte. Die nahbaren Figuren und die eindrückliche, poetische Erzählweise übten einen Sog auf mich aus, der mich das Buch nur selten zur Seite legen ließ. Esthers wachsende Zweifel, die Dynamik zwischen ihr, ihren Eltern und Sulamith wurden mit viel Liebe zum Detail und Feingefühl eingefangen und auch die Entwicklung der beiden Hauptfiguren wurde für mich nachvollziehbar. Die Handlung springt durchweg zwischen Gegenwart und Vergangenheit, wobei ich die Übergänge nicht immer ganz klar fand. Davon abgesehen hat mich Kein Teil der Welt aber sehr begeistert.