Der Gesang der Flusskrebse (Delia Owens)
North Carolina in den 50er Jahren: Kya und ihre Familie leben in einer abgelegenen Hütte im hintersten Marschland, nur für die nötigsten Erledigungen fahren sie mit dem Boot in den nahe gelegenen Küstenort Barkley Cove. Die Familie ist entzweit, der Vater trinkt und so kommt es, dass Kyas Mutter eines Tages ihre Krokodillederschuhe anzieht und für immer verschwindet. Auch Kyas ältere Geschwister verlassen nach und nach das zuhause und die 7-jährige Kya bleibt allein zurück. In völliger Isolation kämpft das Mädchen um jede Mahlzeit, lernt in der Marsch allein zu überleben und sich ein Leben inmitten der Natur aufzubauen. Der warmherzige Muschelhändler Jumpin und der Junge Tate sind ihre einzigen Sozialkontakte. Als Jahre später Chase Andrews, der aufstrebende Star von Barkley Cove tot am alten Feuerwachturm gefunden wird, sind sich die Bewohner einig: Schuld kann nur das sonderbare Marschmädchen haben.
In Der Gesang der Flusskrebse erzählt Delia Owens die faszinierende und bewegende Geschichte eines Mädchens, das in völliger Isolation ganz allein erwachsen werden muss. Die Geschehnisse spielen sich zwischen 1952 und 1970 ab, wobei zwischen beiden Zeitebenen immer wieder hin und her gewechselt wird. Diese Struktur fand ich spannend und unterhaltsam, da beide Erzählstrange so langsam zueinander geführt werden. Den Schreibstil von Delia Owens habe ich als flüssig, berührend und detailverliebt empfunden, sie erschafft mit ihren Worten eine ganze Welt und als Leser wachsen einem sowohl die Figuren als auch die einzigartige Natur schnell ans Herz. Zu erleben, wie Kya ganz allein aufwachsen, sich organisieren, sich versorgen muss, fand ich äußerst spannend und sehr bewegend. Durch den Kriminalfall und den Gerichtsprozess, der im Jahr 1970 angesiedelt ist, fügt Delia Owens dem Ganzen aber auch noch eine ordentliche Prise Spannung hinzu, was der, sonst eher „leisen“ Geschichte sehr gut tut. Ein ganz besonderer Roman, der mich von Anfang bis Ende in seinen Bann ziehen konnte und für mich zu den Jahreshighlights aus 2020 zählt.