Das Mädchen mit dem Drachen (Laetitia Colombani)
Léna hat in ihrer französischen Heimat jahrelang als Lehrerin gearbeitet. Dann aber stellte ein tragisches Unglück ihr ganzes Leben auf den Kopf. In Indien, am Golf von Bengalen will sie nun die Vergangenheit hinter sich lassen und in der fremden Kultur neuen Lebensmut finden. Als Zeichen der Hoffnung dient ihr auch der Anblick eines kleinen Mädchens, das jeden Morgen mit seinem Drachen am Strand auftaucht. Bei einem Badeunfall aber gerät Léna ins Lebensgefahr und kann nur durch die Hilfe des Mädchens und der jungen Frau Preeti gerettet werden, die die Rote Brigade, eine Selbstverteidigungsgruppe für Frauen, im Dorf anführt. Von tiefer Dankbarkeit erschüttert fasst Léna einen Plan: Um dem Mädchen, Lalita, eine bessere Zukunft zu ermöglichen, will sie ihr lesen und schreiben beibringen. Bald bitten auch andere Kinder und die Gruppe um Preeti um Unterricht, doch der Widerstand der Eltern ist groß. Immerhin brauchen sie die Kinder, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren…
Ähnlich wie Laetitia Colombanis vorangegangene Romane (Der Zopf und Das Haus der Frauen) liest sich Das Mädchen mit dem Drachen flüssig und in einem Rutsch weg. Léna wächst einem schnell ans Herz, auch wenn sie in meinen Augen noch etwas mehr Tiefe, noch mehr Ecken und Kanten hätte haben können. Über die Geschichte vermittelt Colombani einige interessante Einblicke in die Kultur und Probleme Indiens, aber auch in die Geschichte der, 2010 von Usha Vishwakarma ins Leben gerufenen Roten Brigade. Das wirkte auf mich, auch durch die vielen Fußnoten, ganz gut recherchiert. Obgleich unterhaltsam, ist die Handlung an sich nicht allzu komplex, für mich hätte es da stellenweise noch tiefer gehen können, insbesondere weil sich Colombani hier ja an große, gesellschaftliche Zusammenhänge und Missstände heranwagt. Ich habe Das Mädchen mit dem Drachen dennoch gerne gelesen und mit den Figuren mitgefiebert und mitgelitten. Ein kurzweiliger und ermutigender Roman über Freundschaft, Verlust und Emanzipation.