Beinahe Herbst (Marianne Kaurin)
Oslo, 1942: Ilse Stern lebt mit ihren Eltern und den beiden Schwestern Miriam und Sonja in einer Wohnung im Herzen der norwegischen Hauptstadt. Bereits 1940 wurde das Land von den Deutschen okkupiert, es gelten immer strengere Regeln für die jüdischen Bewohner unter denen auch Ilses Familie leidet. Schmierereien an der familieneigenen Näherei, Restriktionen und Überwachung stehen auf der Tagesordnung. Inmitten der politischen Wirren erlebt Ilse in diesem Herbst ihre erste Liebe: Der Nachbarsjunge Herrmann hat es ihr angetan und auch er scheint ein Auge auf die Fünfzehnjährige geworfen zu haben. Doch was verbirgt sich hinter der geheimnisvollen Malerlehre, zu der Herrmann immer wieder verschwindet? Als eines Tages, der erste Schnee fällt bereits, drei Polizisten vor der Wohnung der Familie Stern stehen, ist nichts mehr wie zuvor. Und von einer fehlt jede Spur: Ilse.
Soweit ich es verstanden habe, handelt es sich bei Beinahe Herbst offiziell um ein Jugendbuch. Ich finde aber, dass man diesen tiefgründigen und fesselnden Roman auch als Erwachsener gut lesen kann. Kaurins Schreibstil hat mir von Anfang an sehr gut gefallen, sie schafft es die Geschehnisse und Grausamkeit der Zeit genauso einzufangen wie die jugendlichen Gedanken und Gefühle von Ilse oder ihrer Schwester Sonja. Während sich die Geschichte im ersten Teil eher langsam aufbaut, wurde es in der zweiten Hälfte richtig spannend, so dass ich den Roman vor lauter Mitgefühl und Mitfiebern gar nicht mehr weglegen konnte. Über den Holocaust in Norwegen habe ich bisher nur wenig gelesen, noch einmal eine neue Perspektive auf diese unsagbar schreckliche Zeit zu erhalten, war interessant. Auch wenn Beinahe Herbst mich, dem Thema entsprechend, bedrückt und traurig gestimmt hat, schimmern auch Hoffnung, Menschlichkeit und die Freude der kleinen Zufälle zwischen den Seiten hindurch. Mit den knapp 240 Seiten ein kurzes, aber intensives und bewegendes Buch.