Literatur

Auf See (Theresia Enzensberger)

Yada ist siebzehn Jahre alt und hat den Großteil ihres Lebens auf der Seestatt VINETA verbracht. Die Sonderwirtschaftszone, die ihr Vater vor der deutschen Ostseeküste als autonome Insel konstruieren wollte, um sich und andere Interessierte vor den Katastrophen der aktuellen Zeit abzuschirmen, hat über die Jahre ihren Hightechglanz verloren. Was als utopische Vision gedacht war, ist in seiner Versorgung noch immer vom Festland und den migrierten, schlecht bezahlten Mitarbeitern abhängig, viele Menschen haben die Seestatt bereits wieder verlassen. Doch Yada soll bleiben, schon allein, damit ihr Vater sie vor der seltsamen Krankheit beschützen kann, an der Yadas Mutter Jahre zuvor starb. Als die Yogalehrerin Rebecca auf der Insel auftaucht, beginnt Yada mit Rebeccas Zutun erstmals ihr eigenes Umfeld kritisch zu betrachten. Ist das Festland wirklich so gefährlich, wie alle sagen? Wäre ein Leben für Yada dort vorstellbar?

Ich habe den, für den deutschen Buchpreis nominierten Roman von Theresia Enzensberger gerne gelesen und fand besonders die Grundthematik, das Scheitern von Utopien und die Suche nach neuen Gemeinschafts- und Überlebensformen im Angesicht zunehmender Katastrophen, sehr spannend. Die Geschichte fokussiert sich auf zwei verschiedene Perspektiven, einmal schildert Yada aus der Ich-Perspektive ihre Erfahrungen, außerdem begleiten wir Helena, eine Frau, die auf dem Festland lebt und hier experimentell zur Entstehung von unabhängigen Staatsformen und Sekten forscht. Immer wieder werden auch Auszüge aus Helenas Archiv eingestreut, Beiträge zu realen, gescheiterten Utopieentwürfen, was ich sehr interessant fand. Die Geschichte liest sich zügig und konnte mich, durch die Idee als solche und deren Bezug zur aktuellen Wirklichkeit in seinen Bann ziehen. Ein Highlight war Auf See für mich aber nicht, dafür fehlten mir etwas die Details und eine richtige Figurentiefe, außerdem vollzogen sich manche Entwicklungen in meinen Augen zu schnell und unkompliziert. Von diesen Abzügen abgesehen, ist Auf See jedoch ein lesenswerter und origineller Roman.