Ein neues Blau (Tom Saller)
Berlin, 1985: Als die siebzehnjährige Anja sich als Gesellschafterin für eine ältere Dame vorstellt, weiß sie noch nicht, was sie erwartet. Die Frau heißt Lilli, bewohnt ein großes Haus, in dem allerlei Porzellan ausgestellt ist und besitzt ein japanisches Teehaus in ihrem Garten, das Anja in Staunen versetzt. Während Lilli zunächst verschlossen wirkt, kann Anja beim gemeinsamen Töpfern das erste Mal ihre trüben Gedanken ziehen lassen. Die Geschichte, die ihr Lilli schließlich erzählt, ist umso bemerkenswerter: Sie beginnt in den 20er Jahren, als Lilli nach dem frühen Tod ihrer Mutter bei ihrem Vater Jakob und dessen Freund und Kollegen, dem Japaner Takeshi aufwuchs. In Kindheit und Jugend hin- und hergerissen zwischen ihrer jüdischen Herkunft und den faszinierenden Bräuchen Japans, lernt die junge Frau schließlich Günther von Pechmann kennen, den Direktor der Königlichen Porzellan Manufaktur, bei dem sie beginnt in die Lehre zu gehen. Doch die Machtübernahme der Nazis verändert alles…
Nachdem mich Tom Sallers Roman Wenn Martha tanzt, der rund um die Geschichte des Bauhauses angesiedelt ist, bereits begeistern konnte, war ich auch von seinem zweiten Roman Ein neues Blau sehr angetan. Wie bereits erwähnt spielt der Roman auf zwei Zeitebenen und kreist um die Hauptfiguren Lilli und Anja. Anja und der Zeitstrang von 1985 spielen dabei eine etwas kleinere Rolle, was mir aber entgegenkam. Tom Saller schreibt wunderbar flüssig, sehr bildhaft und konnte mich mit seinen Worten bis zum Ende in seinen Bann ziehen. Die Figuren, allen voran Lilli, Jakob und Takeshi habe ich sehr in mein Herz geschlossen, sie wirkten auf mich echt und ich habe voller Mitgefühl ihre Schicksale verfolgt. Die historische Kulisse, insbesondere die Hintergründe der Porzellanmanufaktur und die Errungenschaften der Keramikerin Marguerite Friedländer sind toll recherchiert und wurden von Saller sehr liebevoll mit Lillis Geschichte verknüpft. Im Vergleich zu Wenn Martha tanzt fehlte mir an manchen Stellen etwas die Spannung, davon abgesehen, habe ich den Roman aber sehr gerne gelesen.