Candy Haus (Jennifer Egan)
Mit dem fulminanten Forschungserfolg der Wissenschaftlerin Miranda Kline gelangt eine Idee in die Welt, die bald schon von den großen Kommunikations- und Social Media Unternehmen aufgegriffen und aufgekauft wird: Das Speichern der eigenen Erinnerungen und Wahrnehmungen auf eine gesonderte Festplatte. Der Unternehmer Bix Bouton entwickelt das Konzept schließlich weiter, sein bald millionenschweres Start Up macht eine Verknüpfung aller hochgeladenen Erinnerungen möglich. Jeder der sein Bewusstsein anonym teilt, erlangt als Ausgleich Zugriff auf das kollektive Bewusstsein aller anderen. Doch was macht es mit den Menschen, wenn die Grenzen zwischen Öffentlichem und Privatem so vehement verschwimmen? Was bedeutet Authentizität in einer Welt, in der jeder alles weiß? Miranda Klines Töchter und ihre späteren Halbgeschwister haben noch Jahre nach der Entdeckung ihrer Mutter mit den Folgen der bahnbrechenden Erfindung zu kämpfen…
Ich war zunächst etwas skeptisch, weil mich technische, Sci-Fi nahe Themen in letzter Zeit weniger reizen. Dass das Technikthema in Candy Haus aber gar keine so große Rolle spielt, überraschte mich dementsprechend positiv. Mehr ist dieses Buch eine Verknüpfung verschiedener Lebensgeschichten von Menschen, die in einer Welt leben, in der Erinnerungen und Bewusstsein externalisierbar sind. Es sind viele verschiedene Figuren, die hier nacheinander in den Vordergrund rücken, die Verbindungen zwischen ihnen sind mehr und weniger eng und um hier nicht den Überblick zu verlieren, braucht es etwas Konzentration. Ich tue mich sonst schwer mit fragmentarischen, schnell wechselnden Sichten, oft fehlt mir hier die Nähe zu den Figuren. In Candy Haus fand ich die Perspektivenvielfalt aber interessant und die Art und Weise, wie sich aus den kurzen Einblicken ein vielschichtiges Bild zusammensetzt, gelungen. Candy Haus wirft zeitlose Fragen auf, es geht um Menschlichkeit, Verlust und Liebe, das alles in einer detailreichen, feinfühligen Sprache. Etwas durcheinander, etwas anstrengend, aber trotzdem auch ziemlich gut.