Literatur

Im Menschen muss alles herrlich sein (Sasha Marianna Salzmann)

Lena wächst in den 70ern in der Ukraine auf, ihre Jugend in der Sowjetunion ist geprägt von der Zeit bei den Jungpionieren und der schweren Erkrankung der Mutter. Die Welt, in der sie sich bewegt, geziert von Korruption und Unterdrückung. Das Medizinstudium erkauft, um den Tod der Mutter betrogen, beginnt sie für ein besseres Leben zu kämpfen und landet dabei Ende der 90er Jahre in Jena. Als studierte Hausärztin wagt sie hier den Neubeginn als Krankenschwester. Jahre später lebt Lenas Tochter Edita in Berlin, bewusst weit weg von den Eltern, von dem erdrückenden Schweigen, den Fragen nach Herkunft und Heimat. Ein ähnlich schwieriges Verhältnis pflegen Nina und ihre Mutter Tatjana. Tatjana, eine enge Freundin von Lena, teilt mit dieser die Wunden der Emigrationserfahrung, lebt jetzt, noch immer nach Identität suchend, in Berlin. Als Lenas 50. Geburtstag gefeiert werden soll und die vier Frauen zusammenkommen, wird klar, wie sehr ihre Schicksal ineinander verwoben sind.

Im Menschen muss alles herrlich sein hätte ich von Herzen einen Platz in der Buchpreis Shortlist gewünscht. Denn Sasha Marianna Salzmann hat hiermit ein wichtiges, sprachlich großartiges Buch über die Perestroika in der Sowjetunion, Emigration, Identität und Familie geschrieben. Sie vereint diese Thematiken sehr gekonnt anhand der Schicksale der vier Figuren, die an und für sich sehr unterschiedliche Charaktere darstellen, durch ihre Geschichte aber wie durch ein zartes Band miteinander verbunden werden. Die Handlung springt dabei zwischen den Figuren, teils auch den Zeitsträngen hin und her, was beim Lesen zwar Konzentration erforderte, für mich aber immer nachvollziehbar blieb. Salzmanns Sprache ist feinfühlig und treffend, wenn ich auch einen kurzen Moment brauchte, um in die Geschichte hineinzukommen, war ich danach von der bedrückten Stimmung und den bewegenden Lebenswegen der vier Frauen sehr eingenommen. Dieses Buch hat mich nicht nur emotional mitgenommen, sondern mir auch Einblicke in eine Welt geboten, über die ich bisher wenig weiß. Ganz klare Empfehlung.