Sachbuch

Ich möchte lieber nicht (Juliane Marie Schreiber)

Sei frech wild und wunderbar sagt das Duschgel in der Drogerie, im Supermarkt gibt es die Feel Good Tees und den Seelenwärmer Fertigpudding. Die Buchhandlung nebenan verkauft zahllose Ratgeber zum Thema Mindset und positiver Einstellung, während Instagram uns mit Motivationssprüchen, stets motivierten Influencern und Werbung für lebensoptimierende Produkte überflutet. Der Zwang zum Positiven ist zu einer Ideologie unserer Zeit geworden, zu einem Prestige, mit dem man sich messen kann, messen soll. Man kann alles erreichen, wenn man nur fest daran glaubt? Alles was passiert hat einen Sinn und jedes Scheitern ist auch eine Chance? Hmmm…, manchmal auch nicht, ne? Tut es uns wirklich gut, immer krampfhaft positiv bleiben zu wollen? Ist es sinnvoll, davon auszugehen, dass jeder Einzelne mit der richtigen Einstellung sein Glück in der Hand hat oder hat das nicht auch etwas Realitätsfernes an sich? Können Schmerz, Meckern und Wut nicht manchmal mehr erreichen? Und ist das ultimative Glück am Ende wirklich so erstrebenswert?

All diesen Fragen geht Schreiber in ihrem Buch nach und zeigt dabei auf unterhaltsame, aber auch handfeste Art, was am Positiven alles eher mies ist, und was, andersherum am Negativen ziemlich cool sein kann. Es geht hier zum Beispiel um den neuen Trend des Coaching, und darum wie das grenzenlose Verlangen nach positivem Denken die Realität verschiebt. Es geht um Werbung und Positivismus als Geldgrube der Industrie, darum was für Vorteile es hat, auch mal raushängen zu lassen, wenn man mies drauf, skeptisch oder pessimistisch ist. Die Themen sind vielfältig, aber gut strukturiert, auch Schreibers unterhaltsamer, teils echt lustiger Stil gefiel mir sehr. Sie schafft es nämlich trotz des Witzes, ihre Punkte mit zahlreichen Quellen und Beispielen glaubhaft und nachvollziehbar zu machen. Einzig die etwas pauschalen Behauptungen im hinteren Teil (Pessimisten leben länger, sind weniger rassistisch etc.) waren mir etwas schwammig. Alles andere fand ich aber nicht nur spannend, sondern auch wichtig und wahr.