Die Wand (Marlen Haushofer)
Wie so oft, verbringt die namenlose Erzählerin mit ihrer Cousine und dessen Mann ein paar Tage in deren Jagdhütte im Wald. Als die beiden Gäste zu einem Umtrunk ins Dorf wandern, bleibt die etwa Vierzigjährige allein in der Hütte zurück und wundert sich, als die Cousine und ihr Mann am nächsten Morgen noch immer nicht heimgekehrt sind. Sie macht sich auf und stößt auf das Unfassbare: Eine unsichtbare Wand, die sie von der Außenwelt trennt. Hinter der Wand scheint die Zeit stehen geblieben, die Lebewesen ringsum sind versteinert. Nur im Inneren geht das Leben weiter, auch für die Protagonistin. Sie und der Hund Luchs richten sich in der neuen Realität ein, bald finden sie eine Kuh, die von nun an mit ihnen lebt und sie mit Milch versorgt, auch Wild, das als Nahrungsquelle dient, gibt es innerhalb der Wand reichlich. Doch wie ein Leben weiterleben, das so abrupt durchschnitten wurde? Wie die Einsamkeit durchleben, wenn man als Einzige zurückgeblieben ist?
Auch wenn mir Die Wand ein Begriff war, wurde ich erst durch Nicole Seiferts Buch Frauen-Literatur so richtig aufmerksam auf diesen 1963 erschienen Roman. Darüber bin ich sehr froh, denn Die Wand war für mich ein rundum atmosphärisches, spannendes und faszinierendes Buch. Die Grundidee an sich ist schon großartig, die Umsetzung aber genauso. Irgendwie schafft es die Erzählerin sich an der Routine des Alltags, dem Wechsel der Jahreszeiten und der Nähe zu ihren Tieren, festzuklammern und nicht in die Verzweiflung zu stürzen. Sie beschreibt ihr Leben innerhalb der Wand rückblickend in einem Bericht. Durch mehrere Vorgriffe und die Frage nach dem Ausgang der Geschichte, fand ich das Lesen durchaus spannend. Die Entscheidungen der Erzählerin konnte ich nicht immer nachvollziehen, gerade das machte das Leseerlebnis für mich aber auch aus, genau wie die vielfältigen Deutungsmöglichkeiten (Zivilisationskritik, feministische Perspektive, Mensch-Tier-Verhältnis etc.). Ich war von diesem Buch sehr beeindruckt.