Literatur

Shuggie Bain (Douglas Stuart)

Shuggie Bain wächst in den 1980er Jahren in einem Vorort von Glasgow auf. Die ersten Lebensjahre verbringt er mit den Eltern und den beiden älteren Halbgeschwistern Catherine und Leek in der schäbigen Wohnung der Großeltern. Während sein Vater Taxi fährt und andere Frauen vögelt, verbringt seine Mutter Agnes die Tage mit dem Leeren von Bierdosen, Pokerspielen und dem Durchblättern der Kataloge. Als der Vater ein winziges Haus in einer nicht weniger verkommenen Nachbarschaft kauft und seine Familie anschließend mittellos sitzen lässt, werden die Abstände zwischen Agnes trunkenen Abstürzen immer kürzer. Shuggie hat es mit seiner femininen, zartgliedrigen Art in dem Arbeiterviertel doppelt schwer, er wird von den anderen Kindern gequält, weil er anders ist. Die älteren Geschwister entziehen sich der Situation, doch Shuggie hält an seiner Mutter, die trotz ihrer Sucht stets makellos auftritt, fest. Kann die Hoffnung sie und ihn vor dem Untergang retten?

Shuggie Bain zu lesen war nicht in dem Sinne schön, denn dieses Buch ist heftig, traurig, zermürbend und bricht einem ein bisschen das Herz. Auch musste ich mich an den Schreibstil zunächst gewöhnen, beim Lesen war, auch aufgrund des Slangs in der wörtlichen Rede, meine ganze Konzentration gefordert. Das ist ja nichts Schlechtes, aber man sollte wissen, worauf man sich einlässt. Ich habe mich drauf eingelassen und wurde mit wahnsinnig viel Gefühl und einem tiefgründigen, mitreißendem Familienportrait belohnt, das in all seiner Dysfunktionalität schonungslos und authentisch dargestellt wird. Die Figuren, wenn mir auch keine von ihnen rundum sympathisch wurde, erwachten vor meinen Augen zum Leben. Die Wirtschaftspolitik der Thatcher-Zeit, die große Depression und die Armut in der Arbeiterklasse finden hier auf drastische Weise ihren Einzug, genau wie die rührend erzählte Geschichte eines Jungen, der seine Mutter über alle Grenzen hinweg vergöttert und doch nicht retten kann. Ein wortgewaltiger, erschütternder Roman, der seine Auszeichnung mit dem Bookers Prize absolut verdient hat.