Offene See (Benjamin Myers)
Robert ist sechszehn Jahre alt, die Schule hat er beendet und bald wird er, wie alle männlichen Mitglieder seiner Familie seine Arbeit im Bergbau beginnen. Doch bevor er diesen Weg einschlägt, vor dem es ihm im Stillen graut, begibt er sich auf eine Reise durch sein Land: England kurz nach dem zweiten Weltkrieg. Er liebt die Natur, das Unterwegs sein und möchte einmal das offene Meer sehen, im Süden. An der Küste angekommen lernt er Dulcie kennen, die mit ihrem Schäferhund in einem etwas herunter gekommenen Cottage in Sichtweite zum Meer lebt. Die ältere Dame, die eine ungewöhnliche Offenheit an den Tag legt und ganz unkonventionelle Ideen und Meinungen hat, fasziniert Robert sofort. Aus einem Tee, zu dem sie ihn einlädt, wird ein längerer Aufenthalt: Während Robert den verwahrlosten Schuppen im Garten auf Vordermann bringt, den Dulcie nicht betreten will, lehrt sie ihn die Liebe zur Literatur…
Offene See ist in jeglicher Hinsicht ein schönes Buch. Angefangen bei dem wunderschönen Cover, bis hin zu Benjamin Myers‘ außerordentlich schöner Sprache. Seine Worte ließen vor meinen Augen Bilder erscheinen, man merkt sofort, dass hier jemand am Werk war, der Literatur wirklich versteht, wobei das Bildliche in seiner Sprache nie übertrieben oder zu gewollt wirkte. Robert und Dulcie sind mir sehr schnell ans Herz gewachsen und es machte mir Freude ihren Gesprächen zu folgen und zu beobachten, wie Robert sich langsam zu einem jungen Mann entwickelt, der eigene Pläne und Ziele verfolgt. Die Geschichte ist an und für sich eher ruhig, trotzdem wurde es nie langweilig, denn Dulcie hat ihre Geheimnisse, die nur zaghaft ans Licht kommen und auch Roberts Entwicklung lässt einen neugierig weiterlesen. Offene See hat für mich alles was ein schönes Buch braucht: tolle, liebenswerte Figuren, eine Prise Melancholie, das ein oder andere Geheimnis und eine lebensbejahende, tiefgründige Botschaft. Ein Buch, das mich glücklich gemacht hat.