Marzahn Mon’Amour (Katja Oskamp)
Eigentliche ist Katja Oskamp Dramaturgin. Als im Jahr 2015 die Veröffentlichung ihres letzten Werkes bereits fünf Jahre zurückliegt, es mit dem Schriftstellerin sein nicht mehr ganz klappt, lässt sie sich kurzerhand zur Fußpflegerin umschulen und beginnt im Kosmetiksalon von Tiffy zu arbeiten. Der Salon befindet sich im Erdgeschoss eines Plattenbaus im Berliner Stadtteil Marzahn, die Kundschaft, größtenteils im Rentenalter, bringt ihre eigenen Geschichten mit zur Fußpflege. Da ist Herr Pietsch, ehemaliger Parteifunktionär der DDR und wandelndes Klischee, Frau Blumeier, der auch ihre Polio-Erkrankung nicht die Lebensfreude nimmt. Da sind Mutter und Tochter Noll, die unsicheren, pubertierenden Töchter der Schriftstellerkolleginnen oder Herr Huth, der beim Versuch seine Frau abzuholen mit seiner Demenz regelmäßig vor dem Friseurladen landet. All diese Menschen sind Lebenswege, sind Geschichten, sind das Marzahn, das Katja Oskamp so liebt.
Marzahn Mon’Amour, dieses feine, 140 Seiten fassende Büchlein, hat mich verzaubert. Erstmal fand ich Katja Oskamps Lebensweg, die Art wie sie von ihrer Umschulung, diesem Neuanfang in der Lebensmitte, berichtet absolut herzerwärmend und ehrlich. Die Kapitel beschäftigen sich jeweils mit einem Kunden oder einer Kundin, dabei geht es um konkrete Geschehnisse bei der Fußpflege aber auch um die Lebenswege, die Geschichte der Menschen. Was zunächst trivial klingen mag, ist einfach wunderschön erzählt, gibt Einblicke in diese gleichsam „normalen“ aber auch so erzählenswerten, vergessenen Leben. Trotz der Kürze und Kurzweiligkeit von Marzahn Mon’Amour, tauchte ich völlig ab, hatte am Ende das Gefühl die beschriebenen Personen und Katja Oskamp persönlich zu kennen. Manches war traurig, anderes lustig und hoffnungsfroh, eben ein bisschen so wie das Leben. Für mich ein ganz besonderes, herzerwärmendes Buch, das durch Ehrlichkeit und eine feinsinnige Beobachtungsgabe besticht. Ein Buch für jedermann, das ich mir auch als Geschenkidee gut vorstellen kann.