Literatur

Die Paradiese von gestern (Mario Schneider)

Ella und René sind gerade ein halbes Jahr zusammen und können sich endlich den Traum einer Reise nach Frankreich erfüllen. Es ist das Jahr 1990, die Mauer soeben gefallen, und das Leben der beiden DDRler voll von neuen Möglichkeiten und Fragezeichen Richtung Zukunft. In Südfrankreich finden sie unerwartet ein verstecktes Schlosshotel, das seine besten Jahre bereits hinter sich zu haben scheint. Die Besitzerin Charlotte de Violet bietet ihnen das letzte für Gäste vorbereitete Zimmer an. Erst nach und nach erfahren die zwei Reisenden, dass das Schloss nur noch von Madame de Violet und dem Diener Vincent bewohnt wird und dass die Gräfin vor dem Verkauf des Hauses steht. Bei einem Abendessen mit den Gastgebern kommt Charlottes extravaganter Sohn Alain hinzu, der René am nächsten Tag zu einem Trip nach Paris überredet. Ella bleibt entrüstet im Hotel zurück, wo sie stattdessen die Tage mit Vincent verbringt. So stellt die Reise nicht nur Ellas und Renés Beziehung auf die Probe, sondern auch den Entschluss der Gräfin.
Die Paradiese von gestern von Mario Schneider hat mich insgesamt positiv überrascht. Ella und René sind zwei interessante und von Schneider detailliert gestaltete Figuren, genau wie die Gräfin und ihr langjähriger Angestellter Vincent. Das ganze Setting, die Idee des mehr oder weniger aufgegebenen Schlosshotels, das noch ein letztes Mal seine Tore öffnet, die sommerliche Atmosphäre vor den Geschehnissen des Mauerfalls, gefielen mir sehr und ließen mich beim Lesen absolut abtauchen. Auch, wenn die Geschichte eine eher ruhige ist, kommt die Handlung mit dem Auftauchen von Alain doch ordentlich in Fahrt und auch über die Hintergründe der Gräfin und des geheimnisvollen Dieners erfährt man nach und nach mehr. Schneider arbeitet viel mit Dialogen, die ich größtenteils als sehr gelungen empfand. Nur Ellas und Renés Beziehungskrise mit den passenden Gesprächen wurde für mich nicht ganz nachvollziehbar. Das Ende fand ich leider etwas abrupt und nicht so aufschlussreich wie erhofft, insgesamt hat mir die Lektüre dieses originellen Romans aber viel Freude bereitet und ich spreche sehr gerne eine Empfehlung aus, insbesondere für den kommenden Sommer.